Herz in Händen
Erinnerungen: Die Liebe - Die große Ernüchterung


Zur Erinnerung: Wir sind noch immer im Ereignis-/Erlebnisstrang 1:

Der bis dahin traurigeste Tag in meinem Leben.
Ich war nun allein in unserer Wohnung. Jetzt war es meine Wohnung.
Ich hätte gern das Gefühl in jener Zeit in einem Musikstück eingefangen, aber nichts was ich komponierte oder spielte war würdig. Egal welche Tonfolge oder Akkorde, alles fühlte sich an, wie eine aufgesetzte klangliche Karikatur des Gefühls das ich spürte, fühlte und durchlebte - ohne die verspürte emotionale Tiefe. Ich war musikalisch wie gelähmt.
Mir ging sehr viel durch den Kopf. Meine Gefühle und auch einige "Was-wäre-gewesen-wenn-Fragen". Meine Ex hatte versucht, das Kind kurz vor dem Ende des 3. Monats abzutreiben und hatte mich um Hilfe gebeten. Was wäre gewesen, wenn sie das durchgezogen hätte und sich nicht umentschieden hätte? (Wobei es wohl eher an der zu knappen Zeit lag)
Was wäre gewesen, wenn man sie nicht in der Firma entlassen hätte und sie nicht in der Kneipe angefangen hätte?
Was wäre gewesen, wenn ich unsere Hochzeit auf Teufel komm raus über das Knie gebrochen hätte?
Viele weitere Fragen gingen mir durch den Kopf. Das war also die Liebe meines Lebens.
Wo war der Fehler? Gab es überhaupt einen? Würde es jemanden in der Zukunft geben, für die ich nochmal soviel Liebe und Vertrauen empfinden würde? Oder würde meine künftige Ehe mit meiner zukünftigen Frau eher eine Vernunftsehe auf einem emotional niedigen Level? Machte das Sinn? Wollte ich sowas? Lauter solche Fragen stellte ich mir und konnte sie nicht wirklich beantworten. Nicht hier, nicht jetzt, sagte ich mir, das Leben würde zeigen, wie diese Fragen zu beantworten wären.

Hölzerne Liebe!?
Vieles war nebulös, manches paßte irgendwie nicht. Ob alles, was mir so von vielen Protagonisten in dieser Zeit erzählt wurde, überhaupt die Wahrheit war? Zu allem Überdruß, beobachtete man mich, man folgte mir, überwachte mich.
Nun wurde ich vom Betriebsrat meiner Firma informiert, daß die Geschäftsleitung plane mich zu entsorgen. Zufall!?
Wenn ich bereit wäre ohne Ärger freiwillig zu gehen, wäre eine kleine Abfindung drin. Ich war arglos, planlos, fast schon naiv und immer noch kopflos und aufgrund meiner aktuellen Situation, stimmte ich zu. Nun saß ich da, in meiner Wohnung, ohne Frau, ohne Job und wie sollte ich das nächste Semester bestreiten? Also, Bewerbungen schreiben - trotzdessen hielt dieser Zustand einige weitere Monate an und ich durchlitt einige harte Momente. Ich fing an, ein paar Cover und etwas eigenes Material auf eine Kassette aufzunehmen, um mich musikalisch aus der inspirativen Umklammerung zu befreien. Die gab ich meiner Ex, als sie irgendwann mal wieder vorbeischaute.

In dieser Zeit wurde ich erneut zu einer Hochzeit eingeladen, wieder von einer Frau, in die ich ziemlich verliebt war und immer wieder mal Hoffnungen hegte. Ich bin nicht hin gegangen.

Eheringe
Ein Kumpel arbeitete bei einer Firma im Versicherungsbereich. Dieses üble System von verschachtelten GmbH-Dienstleistern für renomierte Firmen kannte ich damals noch nicht. Hauptsache Versicherungen, dachte ich mir, das kann ich - ich brauche Geld, das mach ich erstmal. Sollte sich dann etwas adäquates anderes ergeben, bin ich wieder weg. Zumal ja auch noch weitere Praktikas in meinem Studium zu machen waren. Sie nahmen mich, ich fing dort an.
Es gab dort ein Massenvorstellungsgespräch mit Präsentation. 30-40 Bewerber saßen in einem Raum, sahen sich eine Präsentation an und dann hieß es, wer darauf keinen Bock hat soll jetzt gehen. Ich hatte schon eine hübsche nette ins Visir genommen. Sie war aber in Begleitung von jemanden den sie scheinbar schon kannte. Der Freund!?
Die beiden fingen auch dort an und als sich dann herausstellte, daß der Typ verheiratet war, hieß es Attacke. Das mußte aber wieder genau geplant werden, ich wollte nicht auffallen, sonst kommt wohlmöglich noch jemand auf die Idee, ich wäre nur wegen ihr hier - das war zwar Quatsch, sie dämpfte aber diesen Impuls: "Bloß schnell weg von hier". Ich suchte also unauffällig ihre Nähe, sie zierte sich aber etwas. Dann gab da es einen nebulösen Freund - ich ging also wieder etwas in Warteposition. Frauen mit einem Freund oder mehr, müssen von sich aus kommen.
Mit meiner Ex war schon seit Monaten komplette Funkstille.
Ich robbte mich also wieder Stück für Stück über die Zeit an sie heran und wir lernten uns in der Zeit kennen. Ich versuchte Nachtschichten zu bekommen, wenn sie eingeteilt war (und das als Neuling), da konnte man mal etwas ungestörter miteinander reden. Dennoch wurde ich das Gefühl nicht los, sie wollte nicht so richtig. Sie fand mich nett, aber ob sie mehr empfand? Also versuchte ich außerhalb der Firma ein Date zu bekommen. Sie war angeblich zeitlich ziemlich eingebunden. Als ich dann etwas mehr Druck aufbaute, kam sie dann mit einer Sache um die Ecke: "Ob es denn ok wäre, wenn sie denn dann auch mal mit einer Freundin...." - da fiel bei mir der Vorhang.

Liebesleitfaden!?
Ziemlich zeitgleich, ich war schon einige Monate bei der neuen Firma, da meldete sich meine Ex wieder. Sie war merklich unglücklich, aber sie schien immer noch ein gewisses Vertrauensverhältnis zu mir zu haben, sie sprach zumindest manche Sache in ihrem Privatleben bei mir deutlich an. Sie beschwerte sich, daß ihr Mann das Geld, das er verdient, verspiele. Automaten Zockerei und Sportwetten. Zudem würde er sie nur alleine zu Hause lassen und nicht beachten und es kam das Thema auf, es gäbe eine andere. Die Häme, die ich verspürte, war ein innerer Reichsparteitag!
Ich kann schon recht sarkastisch und zynisch sein - mir lagen so Sachen auf den Lippen wie: "Selbst dran Schuld!" oder "das war doch Deine Wahl!" - ich habe es mir aber verkniffen, ich liebte sie ja trotzdem und es wäre in ihrer Situation wohl zu verletzend gewesen und hätte unser Vertrauenverhältnis nachhaltig gestört, das auf seltsame Art noch erstaunlich intakt war.
Mich störte alles was vorgefallen war und die aktuelle Situation unermesslich. Aber ich sagte mir, man würde das wohl irgendwann bereuen und sich fragen, was wäre gewesen wenn... insbesondere, wenn es später bei anderen Frauen scheiße gelaufen wäre.
Ich war von Frauen nichts gutes gewohnt. Ich war jung und sagte mir, für Härte ist später noch Zeit. Bei jeder anderen hätte ich wohl konsequent durchgzogen, da hätten wir nicht einmal mehr Kontakt gehabt. Ich ging auch davon aus, daß zumindest manche Menschen ihre Lektion lernen, ihre Rückschlüsse daraus ziehen und ihr Verhalten ändern bzw. anpassen - die Chance wollte ich ihr, uns, geben.
So sprachen wir und ich bot ihr an, wenn sie zurück kommen will, kann sie zurück kommen. Ich sagte ihr aber auch klar, daß ihr Spielraum für Nachsichtigkeit im Bezug auf irgendwelche weiterer solcher Schoten sehr eng geworden ist.
Es geht darum, sich gemeinsam etwas aufzubauen und gemeinsam an unserer Zukunft zu arbeiten. Nach etwas Bedenkzeit entschied sie sich zurückzukommen. Das Kind war gerade zur Welt gekommen, sie zog bei mir wieder ein. In den kommenden Wochen und Monaten lösten er und sie ihren Haushalt auf und ich drängte auf eine baldige Scheidung. Da sie mal wieder nichts hatte, zahlte ich ihren Anwalt.
Wir lebten uns wieder ein, aber das Feeling war anders. Ich war zwar schon irgendwie glücklich, aber etwas gedämpfter. Sie war irgendwie anders, aber ich machte die fremde Beziehung und die gescheiterte Ehe dafür verantwortlich. Ich hatte aber auch nicht viel Zeit oder genug Ruhe darüber nachzudenken, ich arbeitete Vollzeit, in Schicht.

Fabrik der Liebe!?
Nach wenigen Monaten wollte sie umziehen, die Wohnung war ihr mit dem Kind zu klein. Es war zwar keine Villa, aber es gibt Länder, da wäre das hier noch Luxus...
Wie es der Zufall so wollte, wurde plötzlich um die Ecke eine Wohnung im Erdgeschoß frei. Sie war etwas teurer und ich sagte ihr gleich, das wäre mit meinem Gehalt nicht zu machen. Wir kommen jetzt schon eigentlich nicht über den Monat und meine Firma sind Geizknochen. Ich bin zeitlich am Limit, ich bin Student, arbeite 40 Stunden in der Woche und wir sahen uns kaum. Sie sagte zu, sich jetzt umgehend etwas zu suchen und die Hälfte der Miete zu übernehmen. Wiedereinmal ließ ich mich vertrauensseelig auf das Versprechen einer Frau ein.

Wir zogen um. Wir hatten es nicht weit, somit kostete der Umzug zumindest nicht viel.
Da die Semestergebühren kontinuierlich anfielen, aber ich zu den wichtigen Vorlesungszeiten im Studium eh nicht an der Uni sein konnte, wegen der Vollzeitarbeit, immatrikulierte ich mich erstmal und hoffte auf bessere Zeiten.
Wir lebten uns etwas ein, aber irgendwas, irgendwie war es anders. Sie war deutlich distanzierter, hatte in vielen Dingen eine andere Meinung als früher, andere Überzeugungen, konnte sich an manche Sachen nicht erinnern. Sie war so merkwürdig unzuverlässig, früher war das anders. Ich mußte sie jeden Monat an ihre Rate erinnern, manchmal bekam ich das Geld erst deutlich später im Monat von ihr.
Auch der gemeinsamen Zeit wich sie immer mehr aus. Sie kam oft erst um 1800h - 1830h nach Hause, schlief dann ab 1900h beim Kind im Zimmer, wenn er zu Bett gebracht wurde und nächtigte dort auch. Ich bekam sie also nur zuvor ein paar Minuten zu Gesicht; Gespräche gab es nur rudmentär, wenn überhaupt. Ich schrieb das aber dem Muttersein zu.

Liebesgewächs
Als einige Monate verstrichen waren, meinte sie, sie hätte nachgedacht und wir müßten mehr aus uns machen! Sie kam auf die Idee, sie könne ja wieder mit einem Studium anfangen. Sie hätte ja in Rußland studiert und dort eine Zwischenprüfung gemacht. Diese müsse sie nur anerkennen lassen, dann bräuchte sie nur das Hauptstudium durchziehen und die Abschlußprüfung; das würde schnell gehen. Und wenn sie dann fertig wäre, bekäme sie ja dann Arbeit und ich könne dann mein Studium beenden, weil ich nicht mehr arbeiten müsse. Bei der Unzuverlässigkeit, die sie bisher gezeigt hatte, war mir nicht ganz wohl dabei, aber die Aussicht selbst endlich fertig zu werden und diese Firma hinter mir zu lassen, war sehr reizvoll. Zudem - es fehlten brauchbare Alternativen - "weiter so" war keine.
Ich sagte, daß das nur für mich Sinn macht, wenn sie absehen könnte, das wir erstens so lange zusammen bleiben und sich zweitens daraus dann endlich mehr entwickelt - also heiraten und dann meine Kinder bekommen. Denn diese "Idee" ginge schon wieder auf meine Kosten und ich hatte den Eindruck, bei ihr hatte sich vieles im Bezug zu mir schon sehr abgekühlt. Sie sagte, sie könne jetzt nur die Zeit bis wir fertig wären überblicken, was danach wäre, sähen wir dann.
Das traf mich ziemlich und ich ging im Laufe der Zeit emotional weiter etwas auf Abstand. Das klang früher anders, irgendwas war anders, sie war anders - ich konnte mir das nicht so richtig erklären.

Love is in the air
Ich wurde von allen Seiten gewarnt, mich darauf einzulassen, aber ich war schon in einer Zwangslage - die einzige Alternative wäre gewesen, alles aufgeben: Wohnung, Job, Beziehung, vielleicht sogar Region, Land und ganz weg. Ich hoffte schon zu lange auf eine finanzielle Besserung, aber die Geizknochenfirma zahlte mir über Jahre keine einzige Gehaltserhöhung, noch nicht einmal eine kleine; so konnte es nicht weitergehen. Also schien dies die einzige halbwegs realisierbare Chance zu sein und so ließ ich mich darauf ein.
Sie brauchte etwa ein Semester für die Anerkennung und ich besorgte dem Kleinen einen Kindergartenplatz. Sie studierte dann 2 Jahre, ich arbeitete weiter Vollzeit völlig unterbezahlt und half ihr bei ihren arbeiten. Kaum war sie an der Uni, ging es mit den Männerbekanntschaften los. Angeblich alles nur Bekannte und Leute mit denen man mal einen Kaffee trinken geht.
Ich wollte ihr nicht mit jedem etwas andichten, aber manches war dann im Laufe der Zeit zu eindeutig, von den Eskapaden mit manchen meiner angeblichen Freunde mal abgesehen. Ich stellte sie dazu zur Rede - Vorwürfe diesbezüglich hatte sie nie abgestritten. Ich sagte ihr, daß ich deswegen den körperlichen Kontakt zu ihr etwas einschränken möchte - der hatte in seiner Häufigkeit von ihr aus sowieso schon deutlich stärker nachgelassen, als mir lieb war.
Es ist zwar selbstverständlich, aber um es klar zu sagen, ich hatte keine Affären.

Loverobot ready?
Sie arbeitete dann an ihrer Diplomarbeit und ich half ihr, soweit ich es konnte, dabei - las etwas die Literatur zu ihrem Thema, war Diskussionspartner, bzgl. mancher ihrer Thesen, die sie in der Arbeit vertreten wollte, besprach manches Unterthema mit ihr, formulierte manche Abschnitte in ihrer Arbeit, las Korrektur.
Wichtig war nur, daß sie jetzt schnell fertig wird, damit ich los legen kann. Ich mache es kurz, die Arbeit wurde gut benotet und sie hatte bestanden.
Nun sollte sie sich Arbeit suchen. Die fand sie schnell. Sie wechselte aber mehrmals nach wenigen Monaten den Job, so konnte es keine finanzielle Sicherheit geben und ich bei meiner Firma nicht aufhören.
Ich wurde langsam grantig! Schon 1 Jahr rum und ich konnte immer noch nicht anfangen.
In dieser Zeit fing auch wieder an etwas Musik zu machen und zu komponieren - das war alles etwas zu kurz gekommen.
Ich mache es mal wieder ganz kurz: Sie machte mir Vorwürfe, es wäre alles meine Schuld und ich wolle gar nicht studieren und sie hätte Zweifel, ob ich das überhaupt schaffe. Sie wolle jetzt nicht mehr länger warten - mir war klar, es ging nur noch darum mich abzusägen, damit Platz für ihre Affären wäre. Als in unserem großen Abschlußgespräch meinte, ich könne weiter hier wohnen, aber sie würde jetzt ihre Männer hier zu Hause empfangen und ich müsse das ertragen, fiel bei mir der Vorhang.

Painted Love
Damit trennten wir uns. Ich zog aus und machte mich rar. In den Wochen danach trafen wir uns noch 2 Mal, sie bat um die Treffen, der Junge würde mich gerne sehen, sagte sie. Natürlich hatte ich damals noch die Hoffnung, sie würde zur Besinnung kommen und es würde irgendwie weitergehen; ich konnte meine Gefühle ja auch nicht einfach abschalten. Es waren eigentlich recht schöne treffen und ich kümmerte mich dabei auch viel um den Jungen. Bei unserem letzten Treffen, wir haben gemeinsam gegessen, machte ich einen letzten Vorstoß - ich machte ihr nochmal einen Heiratsantrag, den 10. in all den Jahren. Wieder endete das, wie erwartet, in einer Ablehnung, wie so oft zuvor. Ich ging und war sehr traurig, mir wurde aber nach diesem Abend klar, ich machte mir nur etwas vor, ich mußte loslassen und sie hinter mir lassen, ich hatte alles gegeben - wir trafen uns danach nie mehr.
Und wieder fragte ich mich, was ist da schief gelaufen? Was waren die Fehler? Wie konnte es passieren, daß sie sich so unheimlich zum Negativen verändert hat? Wer war diese Frau?

Soweit diese Episode - das war alles noch Ereignis-/Erlebnisstrang 1. So habe ich grundlegend alles als Gesamtgeschichte erlebt. (natürlich habe ich hier sehr sehr viele Geschichten, Anekdoten und Anmerkungen zwischendrin weggelassen - ihr, die Leser, wissen ja, der Platz und meine Memoiren 😉 )

Die tragische Lösung für sehr sehr vieles sollte sich mir 2-3 Jahre nach dieser Beziehung offenbaren, der Beginn von Ereignis-/Erlebnisstrang 2 - Dinge, die ich in all den Jahren nicht begriff und sich nun nach und nach vor mir ausbreiteten....

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